Please activate JavaScript!
Please install Adobe Flash Player, click here for download

DFB Journal 03-2015 - Andreas Hirsch im Interview

JULIUS HIRSCH PREIS

03 | 2015 DFB JOURNAL 71 ›› JULIUS HIRSCH PREIS ten,dieFotos,BriefeundZeitungsausschnitteüberJuliusHirsch,bekam ich erst in den 80er-Jahren gezeigt. Für mich bleibt sein Brief, den er schrieb,nachdemer1933inderZeitungvombeschlossenenAusschluss jüdischer Fußballer aus den süddeutschen Spitzenvereinen erfuhr, ein unglaublich starkes Dokument. Er hat darin die Kraft für eine sehr starke Sprache gefunden. Das ist Vorbild für mich. Und nein, Wut habe ich nie verspürt. Es ist nicht wiedergutzumachen. Wir können Zeichen setzen, und wir müssen es besser machen. Deshalb gibt es den Julius Hirsch Preis. Als Sie vor zehn Jahren dem DFB das Andenken an Ihren Großvater Julius Hirsch anvertraut haben, brauchte dieser Schritt sicher eine große Portion Vertrauen. Hat sich der Preis in Ihrem Sinne entwickelt? » Mit Wolfgang Niersbach amtiert nun schon der zweite DFB-Präsident alsVorsitzenderderJury,dasistungeheuerwichtig,fürinterneAbläufe und auch für das nationale Ansehen. Die Bewerberzahlen belegen die wachsende öffentliche Anerkennung für den Julius Hirsch Preis. Unser Vertrauen ist belohnt worden. Jeder beim DFB versteht, dass es sich beim Julius Hirsch Preis für unsere Familie um eine sehr persönliche Angelegenheit handelt. Der diesjährige Gewinner des Julius Hirsch Preises, die Supporters Crew Göttingen 05, hat an ein jüdisches Vereinsmitglied erinnert, das 1933 nach 15 Jahren im Verein ausgeschlossen wurde. Immer häufiger betreiben Vereine oder Fußballfans Erinnerungsarbeit. Der Preis hat Schule gemacht, oder? » Ja. Und das ist ein ganz wichtiges Zeichen. Eines der wichtigsten Ziele des Julius Hirsch Preises ist sicher immer wieder, vor der eige- nen Haustüre zu schauen, wem Unrecht widerfahren ist. Und wer das erst mal weiß, versteht auch die heutige Zeit besser. Das Wissen ist die Voraussetzung. Das Deutsche Fußballmuseum in Dortmund hat gerade geöffnet. Wie stellen Sie sich die Darstellung der Verstrickungen des Fußballs wäh- rend der Naziherrschaft vor? » Ich habe bislang nur die Animationen gesehen, und bin gespannt, wie alles tatsächlich wirkt. Mit den Verantwortlichen des Museums waren wir in gutem Austausch. Wir haben zahlreiche Dokumente als Faksimile zur Verfügung gestellt. Dabei haben wir darauf geachtet, nicht zu viele persönliche Gegenstände weiterzugeben, weil wir eben keinen Personenkult fördern wollen. Was passiert ist, soll geschichtlich und auch eher nüchtern dargestellt werden. Wir als Familie möchten diese Geschichte auch immer eingeordnet wissen, es soll nicht etwas daraus gemacht werden, was es nicht war. Erzählt werden sollen sein Leben und Leiden. Ich sage bewusst nicht: „sein Schicksal“. Bei mir sträubt sich vieles, wenn heute über Holocaust-Opfer gesprochen und dabei das Wort „Schicksal“ verwandt wird. Es war eben kein Schicksal, sondern menschengemachte industrielle Ermordung. Worin also liegt aus Sicht der Familie die zentrale Aufgabe des Preises? » Wir wollen, dass das Leben meines Großvaters heute in einer klaren Botschaft gegen Rassismus dargestellt wird. Und der Preis ist nicht dafür gedacht, dass eine harmonieträchtige Sauce der Verständigung über die Geschichte gelegt wird. Gerade das nicht. Es ist ganz wichtig, dass alle Akteure, und das beobachte ich auch, nicht zu gut gelaunt werden. Der tödliche Ernst der Lage, als die politischen Morde schon Ende der 20er-Jahre erheblich zunahmen, und die Gesellschaft nichts dagegen getan hat, ist im Grunde immer noch spürbar. Nur die Demo- kratie hat heute eine vielfach größere Kraft als damals. Das müssen wir erhalten und ausbauen. Denn Brandstifter von rechts leben auch heute unter uns. «Die Demokratie hat heute eine vielfach größere Kraft als damals. Das müssen wir erhalten und ausbauen.» Andreas Hirsch (rechts) bei der diesjährigen Verleihung im Gespräch mit DFB-Mediendirektor Ralf Köttker.

Seitenübersicht