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DFB Journal 03-2015 - Der "Bomber" wird 70

GEBURTSTAG

In München wohnte er zunächst möbliert bei einer pensioniertenStudienrätin,undergingarbeiten.Aber nicht als Weber, was er gelernt hatte, sondern als Möbel-Spediteur – halbtags. Fußballer waren noch keine Profis 1964, Müller erhielt nur 160 Mark vom FC Bayern! Dort hatte er einen schweren Start. Die Mitspieler lachten sich schief, als er sich mit den Wor- ten vorstellte: „Ich bin der Torjäger aus Nördlingen.“ Und Tschik Cajkovski, sein Trainer, machte sich über seine stämmige Figur lustig. Legendär wurde die Bezeichnung „kleines, dickes Müller“. Ein Armbruch in der Vorbereitung warf Müller auch mental zurück. Er verpasste die ersten zehn Saison- spiele 1964/1965, ehe Klub-Präsident Wilhelm Neu- decker ein Machtwort sprach und seine Aufstellung forderte. Cajkovski knickte ein und schon begann sie, diegigantischsteTor-ProduktionimdeutschenFußball. Zum Aufstieg der Bayern trug er 33 Tore bei, sein Stammplatz war ihm fortan sicher. 14 Jahre lang wagte es kein Trainer, ihn auf die Bank zu setzen. Zum sportlichen Glück kam im Oktober 1965 das private, Müller lernte seine Frau Ursula Ebenböck, von allen „Uschi“ gerufen, bei einem Stehbäcker am Ost- bahnhof kennen. Als sie im August 1967 heirateten, war Müller bereits Nationalspieler, DFB-Pokal- und Europa- pokalsieger sowie erstmals Torschützenkönig. Rück- blickend nannte er das Jahr 1967 gern eines, „an das ich mich oft zurückerinnern werde“. Dabei kamen noch viel bessere Jahre. Unter Branko Zebec, der Müller auf Diät setzte, machte der Torjäger ab 1968 den nächsten Leistungssprung. 1969 schoss er Deutschland quasi allein zur WM nach Mexiko, traf in jedem Qualifikationsspiel. In die- sem Jahr wurde er auf dem Boulevard zum „Bomber der Nation“, den Titel freilich gab es schon – er erbte ihn von Uwe Seeler. Das bereits zurückgetretene Idol aus Hamburg wurde vor der WM von Bundestrainer Helmut Schön zur Rückkehr bewogen, was weder der FachweltnochMüllerbehagte.„Uweoderich!“,forderte Müller mit dem Selbstbewusstsein des schon dreima- ligen Torschützenkönigs im Februar 1970. Schön rüf- felte ihn vor versammelter Mannschaft und ließ ihn wissen, dass sein Mexiko-Ticket keineswegs sicher sei. ImVier-Augen-GesprächdanachbedauerteMüller:„Ich hab ‘nen Fehler gemacht.“ Schön klopfte ihm auf die Schulter, man vertrug sich wieder. In Mexiko schoss Müller zehn Tore und avancierte deshalb zum ersten deutschenFußballerdesJahresinEuropa.AllenUnken- rufen zum Trotz, harmonierte er mit Seeler prächtig. Sogar auf dem Doppelzimmer in Comanjilla, das sie nach einer List von Co-Trainer Jupp Derwall bezogen. Der erzählte jedem, der andere würde gern mit ihm zusammen wohnen, und beide schlugen begeistert ein. Helmut Schön charakterisierte Müller in seiner Biogra- fie so: „Seine Antworten kamen, wie er spielte: aus der Pistole geschossen, manchmal auch, ohne vorher zu überlegen. Er war so, wie er spielte, und er spielte, wie er war.“ Für die Verteidiger war er vor allem ein unlösbares Problem, für den deutschen Fußball und den FC Bayern ein einmaliges Geschenk. Gegen seine schnellen Dre- hungen, seine Reaktionsfähigkeit und seine Intuition halfen weder Mann- noch Raumdeckung. Er traf mit allen im Fußball legalen Körperteilen, selbst dem Aller- wertesten. Oft war er nicht zu sehen, dann stieß er kurz vor Schluss noch zu. Müller erlebte die erste große Zeit des FC Bayern mit, besser er gestaltete sie mit. „Ohne ihn würden wir uns immer noch im Holzhäu- sel umziehen“, sagt Franz Beckenbauer gern, und er meint es auch so. Müller und die Bayern eilten in den Goldenen Siebzigern von Hattrick zu Hattrick: Siewurdenvon1972bis1974Meis-

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