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SHS Jahresbericht 2012

Gespräch mit Walter Schmitt

Sepp Herberger hatte in seinem Leben schon unzählige Briefe erhalten, ehe er im September 1970 einen Brief aus der Landesstrafanstalt Bruchsal in Händen hielt. Absender: „Oberpfarrer Walter Schmitt“. Der katholische Seelsorger baute in der Haftanstalt gerade ein Fußballpro- gramm auf und fragte, ob Herberger bereit wäre, die Gefangenen einmal zu besuchen. „Sinn der Veranstaltung bei uns in Bruchsal ist, den bei uns einsitzenden Gefangenen einmal auch Persönlichkeiten des deut- schen Sportes von ‚der Nähe‘ vorzustellen“, schrieb er. „Der Gefangene soll spüren, dass er von draußen nicht abgeschrieben ist.“ Dem Geistlichen war es gelungen, den damaligen Bundespräsidenten Gustav Hei- nemann in die JVA zu lotsen und dann sollte es mit dem „Bundessepp“ doch auch klappen. „Sepp Herberger hat mich wenige Tage später angerufen und mich zu sich eingeladen, um alles zu besprechen“, erin- nert er sich. Es war nicht sein einziger Besuch im Hause Herberger: „Wenn Ev einen Kuchen gebacken hatte, rief er mich oft an. ‚Du Pfarrer, kannscht kumme heit, Ev hot en Kuche gebacke.“ Am 30. September 1970 war es dann so weit: „Die ‚Roten‘ überrollten die ‚Gelben‘“, überschrieb die Bruchsaler Zeitung ihren Bericht. „Für Herbergers Besuch haben wir damals aus 200 Interessierten Spieler für zwei Teams ausgewählt. Alle wollten dabei sein. Er führte den Anstoß aus und erzählte viele Anekdoten“, erinnert sich Schmitt. „Hat mich irgendwie moralisch aufgerichtet!“ In seinem Nachlass hat Herberger alle Zei- tungsberichte und Briefwechsel akribisch aufbewahrt. Darunter auch die vielen Briefe der Inhaftierten. Jeden einzelnen beantwortete er persönlich – eine Wert- schätzung, die die Gefangenen zu schätzen wussten. In einem Schreiben eines Inhaf- tierten heißt es: „Ich habe mich sehr gefreut, dass Sie meinen Brief beantwortet haben, denn das ist (wenn man in einem solchen Hause untergebracht ist) nicht selbstverständlich und irgendwie hat es mich moralisch aufgerichtet.“ Auch nach der Haftentlassung riss der Kontakt nicht ab. So erkundigte sich der „Chef” bei einem Ex-Häftling: „Haben Sie Ihre neue Stellung angetreten und wie gefällt es Ihnen? Machen Sie Fortschritte? Lassen Sie sich auf jeden Fall durch eintretende Schwie- rigkeiten – welcher Art diese auch sein mögen – nicht entmutigen.“ „Er konnte nicht anders!“ Nach seinem ersten JVA-Besuch bemühte sich Herberger sehr, bat Fritz Walter, die Gefangenen zu besuchen, vermit- telte Kontakte nach „draußen“ zu nahen Sportvereinen und half, Trainer- und Schiedsrichter-Ausbildungen hinter Gittern durchzuführen. „Er hatte eine neue Lebens- aufgabe für sich entdeckt“, sagt Schmitt. An Weihnachten machte er Geschenke: „An Heiligabend kam er mit dem Wagen. Bis unter das Dach vollgepackt mit Sport- materialien. Er brachte alles, was er kriegen konnte.“ Dafür setzte sich Herberger per- sönlich bei seinem Freund und adidas- Gründer Adi Dassler ein. Als Herberger über eine Stiftung nach- dachte, wurde Schmitt hellhörig: „Ich fragte ihn, ob sich die Stiftung nicht auch für Gefangene engagieren könnte. Erst nach seinem Tod habe ich erfahren, dass er es tatsächlich so verfügte.“ Herbergers Enga- gement war nicht selbstverständlich, doch ein Inhaftierter ahnte es voraus, als er ihm schrieb: „Ich möchte Ihnen ganz offen sagen, dass ich das von einem Seppl Her- berger auch nicht anders erwartet habe. Denn wer Sie kennt, weiß, dass Sie Ihrer ganzen Art nach nicht anders handeln konnten.“ Trafen sich zum Gedankenaustausch in der Sportschule Schöneck: Tobias Wrzesinski und Dekan a. D. Walter Schmitt. 8 Das Engagement im Bereich der Resozia- lisierung von Strafgefangenen ist die älteste Säule der Stiftungsarbeit. Sie geht zurück auf Sepp Herberger selbst. Der legendäre Nationaltrainer verfügte, dass sich seine Stiftung in diesem Bereich enga- gieren solle. Doch was motivierte ihn dazu? Tobias Wrzesinski war im Sepp-Herberger- Archiv und hat mit einem wichtigen Ideen- geber gesprochen. Der Beginn einer neuen Lebensaufgabe

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