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SHS Jahresbericht 2014 - Sepp Herberger - der Fußball war und blieb sein einziges Reich

6 Wegen der sich zuspitzenden Kriegslage wurde das Gesuch zunächst trotz der „Ordensverleihungen“plötzlichabgelehnt, abernachweiterenTelefonatenundRück- fragen, die ihm in Berlin schon den Ruf eines „Nervtöters“ einbrachten, kam am Tag vor Weihnachten 1941 die Nachricht, dass die 25 Fußballer schon zwölf Tage vordemSpielgegenKroatienindieHeimat durften. Es blieb kein Einzelfall. Reinhard Schaletzki, dank Herberger nun Träger des Eisernen Kreuzes 1. Klasse, erklärte eidesstattlich:„AlsichimJahre1942durch Herrn Herberger zu einem Kurs aus Russ- land beurlaubt wurde und noch vor Been- digung desselben wieder zur Front abge- stellt werden sollte, hatte ich es nur ihm zuverdanken,dassderBefehlaufgehoben wurde.Nurihmverdankeichesauch,dass ich bis 1944 in der Heimat blieb. Ich war nicht der Einzige; vielen Spielern hat er geholfen, in der Heimat zu bleiben.“ Die berühmten „Roten Jäger“ Auch Fritz Walter konnte das bestätigen. Mit seiner Einheit in Sardinien unter Partisanen-Beschuss liegend und schwer erkrankt, wurde er im Dezember 1943 plötzlichaneinendeutschenFlieger-Horst abkommandiert – obwohl er niemals Flie- ger war. Doch der hochdekorierte Flieger- Major Hermann Graf sammelte im ostfrie- sischen Jever aus privatem Antrieb gute Fußballer um sich, die berühmten „Roten Jäger“.EinigeNationalspielerwieHermann Eppenhoff (Schalke) und Franz Hanreiter aus Wien waren schon da. Graf und Her- berger kannten sich, da war es kein Wun- der,dass„derChef“alsbaldmiteinerBitte an den Major herantrat: „In Italien geht mireinesunsererhoffnungsvollstenTalente vor die Hunde. Fritz Walter. Er hat eine schwere Malaria. Können Sie nicht was für ihn tun?“ Graf konnte, nicht minder listig als Herberger, indem er Walter in Berlin als seinen Vetter ausgab. Schwerer als alles, was seine Fußballer zur Entlastung Herbergers anführten, dürftedieAussagedesSport-Journalisten Richard Hetzler aus Weinheim gewogen haben. Er berichtete am 19. Juli 1946 von einem Zwischenfall in der „Reichskristall- nacht“ vom 9. November 1938. Herberger und Hetzler saßen demnach in Karlsruhe beim Abendessen, als sie einen Tumult beobachteten. Ein alter Mann, „dem Aus- sehennachunzweifelhafteinJude,(wurde) voneinerMeutevonMännernmisshandelt und vor sich her gestoßen. Herberger … schnellte mit einem Sprung unter diese Leute, um sich für den Schutz und die Befreiung des alten Herrn einzusetzen, wobei er selbst tätlich angegriffen und mit Fußtritten traktiert wurde, sodass er die Flucht ergreifen musste.“ Er sei nur dankseinerschnellenBeinedenSchlägern entkommen.Hetzlerwillbeobachtethaben: „Von diesem Zeitpunkt an war Herberger nocheinvielgrößererundunversöhnlicher Gegner der Nazis. Aus seiner Einstellung … machte er keinen Hehl, daher bedurfte esauchoftmalseinerWarnung,denBogen nicht zu überspannen.“ Freispruch Klasse 4: Mitläufer Manche zeichneten ein anderes Bild. In der „Badischen Volksstimme“ stand im Sommer1946zulesen,Herbergersei„eine der Größen des Nazi-Sports“ gewesen, „derSpruchkammerinWeinheimmöchten wir empfehlen, ein besonders wachsames Auge auf ihn zu haben“. Die Wahrheit ist, dass auch die Nazis nicht verhindern konnten, dass er in ihrer Zeit des Schreckens oft menschliche Größe zeigte. Dass er beruflich auch noch Erfolg hatte und etwa mit der Breslau-Elf eine sagenhafte Siegesserie hinlegte, konnte man ihm nicht ernstlich zur Last legen. Es kam ja auch keiner auf die Idee, ihm das frühe Scheitern bei der WM 1938 im Nachhinein als entlastend anzurechnen. Am 21. September 1946 wurde Sepp Her- berger in die Gruppe der „Mitläufer“ ein­ gestuft – wie 54 Prozent aller Deutschen, die sich verantworten mussten. Sein Berufsverbot wurde aufgehoben. Die SpruchkammerWeinheimverhängteeinen Sühnebescheid über 500 Reichsmark. Das Urteil ließ er sich am 9. Juni 1947 schriftlichbestätigen.DieSpruchkammer Weinheim führte aus: „Diese Eingruppie- rung erfolgte in erster Linie durch die zahlreichen vorgelegten Erklärungen von Fußball-Nationalspielern sowie anderer Persönlichkeiten, die darin Ihre anti­ nazistischeEinstellungbestätigten.“Eine WochezuvorhatteHerbergerbereitseine Anstellung an der Kölner Hochschule für Leibesübungenangetreten,woerFußball- Lehrer ausbilden durfte. Vermutlich brauchte er das Dokument dafür. Jackl Streitle: „Der Mensch lag Ihnen stets am Herzen!“ Als der DFB nach seiner Wiedergründung Ende 1949 wieder einen Nationaltrainer brauchte,fieldieWahlaufHerberger.Doch wie DFB-Vorstandsmitglied Hans Körfer Jahre später enthüllte, beschwerte sich jemand schriftlich beim DFB und führte einige Gegenargumente an, die mit Her- bergers Vergangenheit während des Nationalsozialismus zu tun hatten. Der damalige Spielausschuss-Vorsitzende Arthur Weber arrangierte daraufhin ein TreffenzwischenAnklägerundAngeklag- teminMünchen,danachwarjederZweifel verflogen. Körfer, ein langjähriger Beglei- ter Herbergers in DFB-Diensten, schrieb imJuli1964im„SportMagazin“:„Esblieb in der Aussprache, an der alle Männer des damaligen Vorstandes teilnahmen, nicht der geringste Vorwurf an ihm haften.“ Zu Herbergers 60. Geburtstag schrieb Nationalspieler Jackl Streitle 1957 im „Sport Magazin“ ein Grußwort an den Jubilar.InderÜberschriftstand:„ImKrieg zeigte sich, dass Ihnen stets auch der Mensch am Herzen lag, Sepp Herberger.“ Viele, die ihn kannten, beschworen das. Diewenigstenlebennoch.Umsowichtiger ist es, dass die Wahrheit über diese Zeit von Historikern folgenden Generationen übermittelt wird. Denn die Toten können sich nicht mehr verteidigen.

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