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SHS Jahresbericht 2014 - Sepp Herberger - der Fußball war und blieb sein einziges Reich

Oktober Der frühere Fußball-Nationalspieler Ulf Kirsten besuchte im Auftrag der Sepp- Herberger-StiftungdieJustizvollzugsanstalt in Dresden. Seit ihrer Errichtung im Jahre 1977 engagiert sich die älteste Stiftung des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) im Bereich der Resozialisierung. Sepp Her- bergerselbstwares,derdiesesEngagement einstbegründete.MitUlfKirstenunterstützt eine weitere Persönlichkeit des deutschen Fußballs die Stiftungsarbeit. November MitProminenzausPolitik,SportundGesell- schaft ist die Resozialisierungsinitiative „AnstoßfüreinneuesLeben“inSchleswig- Holstein gestartet. Schleswig-Holstein beteiligt sich als neuntes Bundesland am gemeinsamen Programm der Stiftung und der Bundesagentur für Arbeit. Dezember Stiftungsbotschafter Wolfgang Dremmler besuchtealsSchirmherrdasFußballturnier der Justizvollzugsanstalt Landshut. Der 27-fache Nationalspieler, der als Abtei- lungsleiter den Nachwuchsbereich des FC BayernMünchenverantwortet,suchteaktiv die Gespräche mit den Inhaftierten und übergab unter anderem Trikots der Nati- onalmannschaft:„Berührungsängste?Das gibtesfürmichnicht.Jederhateinezweite Chance verdient“, so Dremmler. Ähnliche Erklärungen gaben auch die Außenläufer der Breslau-Elf, Albin Kitzin- ger und Alfred Kupfer, und sein späterer Kapitän Fritz Walter ab. Keine Politik, Ablehnung von NS-Ritualen und -Symbo- len, keinerlei Indoktrinierung im Kreise seiner Fußballer – nur kaum unterdrückte AbscheugegenüberdemKriegunddessen Verursacher. Aktion „Heldenklau“: Nationalspieler von der Front geholt Im Gegensatz zu seinem Vorgänger und Vorgesetzten Otto Nerz hat er sich nie publizistisch im Sinne der Staatsführung betätigt. In seinen Unterlagen finden sich Artikel von Nerz im „12-Uhr-Blatt“, wo dieser im Juni 1943 schrieb: „Der Jude“ habe „einen unheilvollen Einfluss auf das ganze Vereinsleben“ gehabt. Herberger willNerzdeshalb„Vorhaltungen“gemacht und an einen gemeinsamen jüdischen Bekannten erinnert haben. Alsder„Kicker“HerbergerimFebruar1941 in seiner Berliner Wohnung besuchte und einezweiseitige„Homestory“schrieb,gab es keinerlei Hinweise auf Sympathie für dieParteiführung,diediegleichgeschaltete Pressewohlkaumverschwiegenhätte. Das Arbeitszimmer schildern die Reporter so: „… umrahmt von Bildern aus seiner erfolg- reichen Fußballer-Laufbahn, von Fahnen und Wimpeln aus aller Herren Länder, von Geschenken dankbarer und begeisterter Lehrgangsteilnehmer, stehen der Schreib- tisch und die Schreibmaschine und das Telefon, liegen dicke Akten und große Notizblöcke,istdieFeldpostdereingerück- ten Schützlinge aufgeschichtet. Die Biblio- thek ist eine Augenweide für jeden Lieb- haber der Sport- und Fußball-Literatur.“ Der Fußball, egal unter welcher Staatsfüh- rung, war und blieb sein einziges Reich. Herberger schuf zumindest für einen kleinen Kreis Auserwählter eine Oase des Friedens, er nahm seine Nationalspieler buchstäblich aus der Schusslinie – wobei er sogar vor riskanten Maßnahmen nicht zurückschreckte. Waren dem Fachamt FußballimReichsbundfürLeibesübungen, in das der DFB aufgegangen war, schon seineteilsdreiwöchigen(!)Lehrgängevor Länderspielen ein Dorn im Auge, so han- delte er sich im Dezember 1941 beinahe echte Schwierigkeiten ein. Seine Aktion „Heldenklau“ hätte ihn ohne Weiteres vor den Volksgerichtshof bringen können, der Vorwurfhätteauf„Sabotage“oder„Wehr- kraftzersetzung“ lauten können. Was war geschehen? Als er im Gespräch mit einem FunktionärderReichssportführungerfuhr, dass vor den geplanten Europameister- schaften im Wintersport in Garmisch- Partenkirchenbeabsichtigtsei,dieAthleten schon Wochen vorher von der Front abzu- ziehen, wollte Herberger das umgehend auchfürseineNationalspielerdurchsetzen. Immerhin war die Nationalmannschaft für die Propaganda von hohem Wert, und so klagte er gegenüber dem Funktionär über die Schwierigkeiten, sich im Kriege auf ein Spielvorzubereiten.Herberger:„Ichmalte meine Situation grau in grau. In Wahrheit war es beileibe nicht soooo schlimm …, AufstellungssorgenhatteichinjenenTagen noch nicht.“ Sein Gesuch wurde angenommen, doch nur unter der Bedingung, dass es sich bei den Spielern um Soldaten „mit nachweis- barerFrontbewährung“handele.Herberger, der mit seinen Kandidaten in stetem Brief- kontakt stand, griff zu einer List. In seinen Erinnerungen zu diesem Kapitel namens „Die Rückberufung von der Front“ heißt es:„AufgrundmeinesregenBriefwechsels mitdenFrontsoldatenunseresSpielerkrei- ses wusste ich um deren Front­einsatz und habe darum – um meinem Antrag einen recht bildhaften Eindruck zu verleihen – demeinenoderanderenMannmeinerListe von mir aus Kriegsorden verliehen.“ Gleich vier Mal erfand er demnach für seine Spieler das Eiserne Kreuz 1. Klasse, acht Mal das Eiserne Kreuz 2. Klasse, ferner vergab er sechs Sturmabzeichen. Wie später noch so mancher sportliche GegnerließsichauchdasOberkommando der Wehrmacht von Schlitzohr Herberger offenbar überlisten, der darauf setzte, dass niemand auf die Idee kam, seine Angaben zu überprüfen. Rückblickend schrieber:„ManmögemirdieseAnmaßung verzeihen. Ich hing damals halt zu sehr an einem guten Gelingen meiner Aktion. Ich weiß nicht, ob ich heute noch einmal den Mut aufbrächte, noch einmal zu tun, was ich mir damals unternahm.“

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