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Tätigkeitsbericht 2014 - "ERINNERN BLEIBT EINE WICHTIGE AUFGABE"

Die Publikation „Verlorene Helden“ erinnert an jüdische Fußballpioniere

32FUSSBALLGESCHICHTE erinnernbleibteinewichtigeaufgabe Über Nacht werden aus Kameraden Verfemte „Quasi über Nacht wurden überall in Deutschland aus den alten Vereinskameraden Verfemte und Verfolgte. Langjährige Leistungsträger, Meistertrainer, verdiente Präsidenten, großzügige Mäzene. Plötzlich will man vielerorts mit ihnen nichts mehr zu tun haben“, erläutert Professor Lorenz Peiffer, Sportwissenschaftler am Institut für Sportgeschichte an der Leibniz Universität Hannover. Seit den 1980er-Jahren forscht der Autor der „Verlorenen Helden“ zum Fußball in der NS-Zeit. „Das Unbegreifliche daran ist, dass ausgerechnet diese Ver- eine, die nur zwei Monate nach Adolf Hitlers Machtantritt ohne Zwang die Erklärung verfassen, vorher besonders stark von ihren jüdischen Mitgliedern profitiert haben.“ Für viele der „alten Kameraden“ ist die „Stuttgarter Erklärung“ ein Schock. Julius Hirsch, siebenfacher Na- tionalspieler und Deutscher Meister mit dem Karlsruher FV, ist erschüttert. Er schreibt seinem Verein, in dem er seit seinem zehnten Lebensjahr Mitglied ist, noch am gleichen Tag einen Brief: „Ich lese heute im Sportbericht Stuttgart, dass die großen Vereine, darunter auch der KFV, einen Beschluss gefasst haben, dass die Juden aus den Sportvereinen zu entfernen seien. Leider muss ich nun bewegten Herzens meinem lieben KFV, dem ich seit 1902 angehöre, meinen Austritt anzeigen. Nicht uner- wähnt möchte ich aber lassen, dass es in dem heute so gehassten Prügelkinde der deutschen Nation auch an- ständige Menschen und vielleicht noch viel mehr natio- nal denkende und auch durch die Tat bewiesene und durch das Herzblut vergossene deutsche Juden gibt.“ „Ob Nationalspieler wie Julius Hirsch und Gottfried Fuchs oder DFB- und ,Kicker‘-Gründer Walther Bense- mann – für alle wird der 9. April der Ausgangspunkt von Entrechtung und Verfolgung, Vertreibung oder Ermor- dung“, so Peiffer. Zwar setzt nicht jeder der unterzeich- nenden Vereine die Erklärung sofort konsequent um, an den brutalen Konsequenzen ändert das aber nichts: Julius Hirsch wird in Auschwitz ermordet, Fuchs emigriert nach Kanada, Bensemann stirbt im Schweizer Exil. Lorenz Peiffer hat zusammen mit Henry Wahlig im Auftrag von 11FREUNDE und der DFB-Kulturstiftung über mehrere Monate aus eigenen Forschungen und den Forschungen anderer die 192 Biografien der „Verlorenen Helden“ zusammengetragen. Nicht nur die großen Ge- schichten, auch die von Leo Weinstein. Als der 13-Jährige im Frühjahr 1934 zum Training der Nachwuchsmann- schaft des SV Werder Bremen kommt, bricht für ihn eine Welt zusammen. Der Trainer erklärt dem Jungen, dass er ab sofort nicht mehr mitspielen darf, weil er Jude ist. „Leo Weinstein ist nur einer von zahllosen ganz norma- len jüdischen Fußballern, die bis 1933 scheinbar gut integriert waren. Die meisten Namen sind heute ver- schollen, von Weinstein wissen wir nur, weil er in die USA emigrieren konnte, Werder-Fan blieb und in den 80er- Jahren wieder Kontakt zu seinem alten Verein aufnahm.“ Tausenden anderen erging es ebenso. Wer nicht emigrierte, fand nach 1933 oft eine neue Heimat in den jüdischen Verbänden von Makkabi oder Schild. 1936 sind hier mehr als 10.000 Fußballer aktiv. Spätestens mit der „Reichspogromnacht“ am 9. November 1938 aber wer- den Juden systematisch verfolgt und ermordet. An Fußball ist nicht mehr zu denken. „Die meisten sind vergessen, die Zeitzeugen fast alle tot. Deswegen war ich sofort begeistert von einem Heft für die ganze Fuß- ballszene von 11FREUNDE und der Kulturstiftung. In dieser Breite gab es das noch nie“, ist Peiffer angetan. „Eine glänzende Idee von Christoph Biermann!“ Weder bei Fans noch Vereinen ein Thema Der Autor und Journalist Christoph Biermann ist Mitglied der Chefredaktion von 11FREUNDE und Gründungskurator der DFB-Kulturstiftung. Der schlaksige Mittfünfziger, für seine Fußballbücher mehrfach ausgezeichnet, ist in den Verfolgt, vertrieben, ermordet: Aus dem HSV-Spieler Walter Wächter (links) wurde ein Wi- derstandskämpfer, dem 1938 die Flucht nach Schweden gelang. Der Stuttgarter Schiedsrich- ter Julius Baumann (links unten) wurde im KZ Mauthausen ermordet.

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