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Tätigkeitsbericht 2014 - ULI HANNEMANN – GELACHT WIRD NACH DEM SPIEL

14FUSSBALLKULTUR Ulihannemann–gelachtwirdnachdemspiel Teilen wir uns in Vorbereitung auf ein Autorenländerspiel das Spielfeld mit dem Gegner – wir hüben, sie drüben –, werde ich manchmal das Gefühl nicht los, die anderen belächeln uns ein wenig. Aufwandsarm kicken sie einander den Ball zu, halten ihn mühelos hoch (das können sie nämlich), während sie uns beobachten (das können sie nämlich gleichzeitig) und obendrein vielleicht sogar noch einen Apfel essen (vor dem Spiel nicht gut wegen der Säure) oder rauchen. Und so sehen sie uns: In Zweierreihen machen wir uns warm, ernsthaft, konzentriert, organisiert. „Und hopp“, ruft der Trainer, und wir laufen auf Kommando los. Dann die nächsten. Würde man uns dabei von oben filmen, aus einem Hochsitz, Hubschrauber oder dem Weltraum (sehr gutes Fernrohr!), ergäben sich saubere, fließende Bewegungsmuster, wie man sie von Fischschwärmen kennt. Schwarmintelligenz, Disziplin und die Angst vor Teufel Muskelfaserriss, der unsere morschen Gewe- bestrukturen mittlerweile fast so lange lahmlegt wie ein Bruch des Oberschenkelhalses. „Und hopp“, ruft der Trainer. Die ersten schwitzen, geteerter Auswurf düngt den Rasen und dennoch schwängert Klaglosigkeit die Luft über dem Sportplatz mit ihrer Stille. Wir haben die Seelen von Robotern, Körper von Kampfmaschinen, Fitness von Autoren. Kein Scherzwort dringt über unsere Lippen. Gelacht wird umso mehr nach dem Spiel. Wenn wir gewonnen haben. Ich glaube, sie belächeln uns, weil sie das, was sie sehen, für typisch deutsch halten. Weil sie uns mögen, finden sie das zwar wunderlich, aber doch irgendwie auch rührend und zugleich beruhigend in seinem Wiedererkennungswert. Zuordnungsmöglichkeiten schaffen Sicherheit, Vertrauen, Orientierung in unserer so komplexen Welt. Die Katze frisst die Maus, der Mond scheint in der Nacht, der Deutsche macht sich ordentlich warm. Die gute Organisation geht im Wettkampf nahtlos weiter – sie ist sogar noch in der Desorganisation zu erkennen, denn selbst wer sich mangels taktischen Grundschliffs mit dem Stellungs- spiel auf Kriegsfuß befindet, steht immer exakt dieselben dreizehn Meter fünfzig falsch. Kulturelle Eigenheiten, Mentalitätsmarker und deren Spiegelung in der Spielweise lassen sich also nicht nur im Spitzenfußball ausmachen, wo sie bereits in die Ausbildung von Spielern und Übungsleitern einfließen und selbstverständlich auch die gesellschaftlichen Veränderungen mit- gehen, wenngleich mit einer gewissen Verzögerung. Sondern sie über- tragen sich ebenfalls auf die Autorenteams. Das ist eine kleine Überra- schung, denn Autoren sind Individualisten, und als Fußballspieler gehen die meisten der kickenden Schreiber auch nicht wirklich durch. Uli Hannemann, 1965 in Braunschweig geboren, lebt, ar- beitet und kickt in Berlin. Nach einem erfüllten Arbeits- leben, unter anderem als Taxifahrer, Reprograf und Druckereigeschäftsführer, widmet er sich heute nur noch dem Schreiben. Allwöchentlich liest er auf den Lesebühnen „Reformbühne Heim & Welt“ und „LSD – Liebe statt Drogen“. Seine Kurzprosa ist inzwischen in fünf Textsammlungen, u.a. „Neukölln, mon amour“ (Ullstein, 2011), veröffentlicht. 2014 erschien sein erster Roman „Hipster wird‘s nicht“ (Berlin Verlag). Seit 2005 bekleidet er verschiedene Positionen in der Abwehr der Autoren-Nationalmannschaft und ist damit seit den frühen Gründungstagen des Teams dabei. Uli Hannemann Gelacht wird nach dem Spiel

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