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Tätigkeitsbericht 2014 - REALITÄTS-CHECK FAVELA

Die Autoren-Nationalmannschaft in Brasilien

13FUSSBALLKULTUR AUTOREN-NATIOnalmannschaftinbrasilien „Was die Menschen hier brauchen, ist nicht noch mehr Polizei, sondern Liebe und Zuneigung“, sagt er. Die UPP hat die Baile-Funk-Partys in den Favelas verboten. „Un- sere Kultur wird einfach unterdrückt“, sagt MC Smith. „Für mich ist das keine Befriedung.“ Ein ehrenvolles 3:5 Nach dem Spiel gibt es in einer Halle um die Ecke unter dem Motto „Literarische Dribblings“ eine Lesung der deutschen und brasilianischen Autoren. Der Autonama gehe es bei der Verbindung von Literatur und Fußball um eine „wirkliche kulturelle Begegnung“, sagt der Dramatiker Moritz Rinke. Er ist Rekordschütze der Au- toren-Nationalmannschaft und mit dabei, seit das Team 2005 gegründet wurde. Nun ist die Autonama kurz vor dem WM-Anpfiff auf Ein- ladung des Goethe-Instituts eine Woche lang im Land des „jogo bonito“. In den eigens für die Reise geschriebenen Texten offenbart sich allerdings, dass sich die meisten deutschen Spieler bei der großen Frage der Fußballthe- orie – schön spielen versus gewinnen – ganz klar der Zweckrationalität verbunden fühlen. Uli Hannemann etwa sieht den Autonama-Stil eher „der herben Wucht der 90er denn dem Özil-Götze-Tralala“ verpflichtet. Auch Jochen Schmidt bekennt: „Es ist schön zu sehen, wie ein sauberes Tackling Komplexitäten reduziert. Wenn man mit dem Ball umgehen kann, ist Fußball ja keine Kunst mehr.“ Mit klassischen deutschen Tugenden kämpft sich die Autonama in der Maré nach einem 0:3-Pausenstand wieder zurück ins Spiel – und erreicht ein ehrenvolles 3:5. Doch kunstfertiger Fußball ist selbst in Brasilien nicht mehr alles, was die Menschen bewegt. Moritz Rinke spricht von einer „merkwürdig gedämpften Stimmung“ im Vorfeld der Weltmeisterschaft. Von einer WM-Begeisterung ist in Brasilien angesichts teurer Sta- dien und unfertiger Infrastrukturprojekte tatsächlich kaum etwas zu spüren. Euphorischer ist da schon die Atmosphäre bei der alter- nativen Lesebühne „Cooperifa“ am Rande São Paulos. Neben Liebesgedichten von Straßenpoeten verkünden Rapper hier politische Botschaften, die von Anerkennung und Selbstermächtigung handeln. Unter tosendem Bei- fall wird mitgeteilt, dass die streikenden Lehrer heute ihre Forderungen durchgesetzt haben. Am Ende der Reise kommt es am Pfingstsonntag schließ- lich noch zur großen Revanche gegen die „Pindorama“, das Nationalteam brasilianischer Autoren. Sie hatten bei der Frankfurter Buchmesse im Vorjahr eine herbe 1:9-Niederlage gegen die Autonama erlitten. Beim Rück- spiel in São Paulo zeigt sich nicht zuletzt die Fragwür- digkeit aller kulturellen Klischees: Weder begeistern die Brasilianer durch Übersteiger und filigrane Technik, noch fallen die Deutschen durch übertriebene Härte und Zug zum Tor auf – und die Partie endet 0:0. Der Text von Ole Schulz wurde erstveröffentlicht in der taz vom 10. Juni 2014. Extreme Gegensätze: die Autoren beim Spiel in der Favela Maré und bei einer Lesung im „Museu do Futebol“ in São Paolo. (Im Bild: Torhüter Andreas Merkel)

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