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Tätigkeitsbericht 2012

Lesung in München: „Die Wahrheit liegt unter dem Platz“

Fußball auf vernarbtem Gras München, Marstall-Theater, 26. Juni 2012. Es ist der Tag vor dem Halbfinale der Europameisterschaft. Und der Fußball ist auch hier immer präsent, wenn auch nur indirekt. Im meterhohen Saal des Marstalls, der einst die Prachtpferde König Ludwigs beherbergte, nehmen an diesem Abend die Erzählungen und Gedichte zu- meist jüdischer Autoren im ehemaligen Galizien den Raum ein. Und erzeugen eine konzentrierte Stille, wie wohl selten bei einer Lesung zuvor. Worte, die Grau- samkeiten beschrieben, welche viele der Autoren nicht überlebten. Rund 120 Gäste sind zur Lesung „Die Wahrheit liegt unter dem Platz“ gekommen und hören, behutsam moderiert von Rachel Salamander, Geschichten in Erinnerung an Künstler, Schriftsteller, auch Fußballer, die zwischen 1939 und 1945 in den Ghettos und Konzentrationslagern der Gebiete Polens und der Ukraine von den Nationalsozialis- ten und ihren Helfern misshandelt und ermordet wurden. Es sind Geschichten, die detailliert schildern, wie die Deut- schen aus einer polyfonen Landschaft eine Blutland- schaftmachten.EssindGeschichtenperfiderundabscheu- licher Unmenschlichkeit. So erzählt Schauspielerin Bibiana Beglau über den jüdischen Boxer Hertzko Haft. Ein Mann mit großer Statur und starken Händen, der zur Unterhaltung von Nazioffizieren dazu genötigt wurde, an unzähligen Sonntagen gegen kranke und ausgehungerte Mithäftlinge zu boxen, „bis sie nicht mehr konnten“. Es waren ungleiche Kämpfe, deren einziger Zweck darin be- stand, Menschen zur Belustigung von Soldaten im Ring zu töten, um selbst überleben zu können. Schauspieler Man- fred Zapatka liest aus Anatolij Kuszenows „Babij Jar – Die Schlucht des Leids“, der den Abtransport und den Mas- senmord in der Nähe von Kiew genauestens beschrieb. Es fällt allen Beteiligten sichtlich schwer, den detaillier- ten Zeugnissen aus der Vergangenheit zuzuhören. Und doch muss man darüber sprechen. Die Bedeutung die- ser Lesung für die Kulturstiftung unterstreicht an die- sem Abend schon allein die Präsenz ihrer Mitglieder. Fritz Pleitgen ist gekommen, der frühere ARD-Intendant, 28FUSSBALLUNDGESELLSCHAFT erinnernundgedenken „FuSSball auf vernarbtem Gras. Unter der Grasnarbe: verschüt- tete Geschichte, fast vergessene Geschichten. Mehr als sechs Jahrzehnte nach Babij Jar und Auschwitz begegnen sich junge Ukrainer, Polen und Deutsche auf und neben dem Rasen zur Europameisterschaft. Millionen feiern, wo einst Millionen ermordet wurden.“ Die einleitenden Sätze der von Albert Ostermaier kuratierten Lesung „Die Wahrheit liegt unter dem Platz“ spannen einen Bogen von der NS-Zeit in die Gegenwart.

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