Please activate JavaScript!
Please install Adobe Flash Player, click here for download

Tätigkeitsbericht 2012

Zbigniew Masternak, Albert Ostermaier und Serhij Zhadan im Interview

Welches Fußball-Buch sollte man gelesen haben? Masternak: Die Autobiografie von Maradona. Herr Ostermaier, Ihr Fußball-Lese- tipp? Ostermaier: Alles von Jorge Val- dano, der 1982 und 1986 in der ar- gentinischen Nationalmannschaft spielte und später Trainer und Fuß- balldirektor von Real Madrid war. (Valdanos Buch ‚Über Fußball’ wur- de 2006 als ‚Fußballbuch des Jah- res’ ausgezeichnet.) Die US-Literatur kennt eine Reihe großer Sportromane, etwa Mala- muds ‚The Natural‘ oder ‚Under- world‘ und ‚Endzone‘ von DeLillo. Warum fehlt noch der große deut- sche Fußballroman? Ostermaier: Baseball und Foot- ball haben mit Urmythen der ameri- kanischen Gesellschaft zu tun, mit dem Pastoralen oder der ‚Frontier‘, der Gewinnung des Westens. Dazu sind beide Sportarten hochgradig demokratisch, sie bieten allen mög- lichen Körperformen einen Platz zum Mitspielen. Vielleicht liegt das Vakuum hinsichtlich eines großen deutschen Fußballromans auch ein- fach daran, dass nur Männer sich 17FUSSBALL-KULTUR interview Spannender ist es ohnehin, denn der Ausgang ist immer ungewiss.“ Herr Ostermaier, welche Geschichte erzählt die deutsche National- mannschaft? Ostermaier: Eine ganz ähnliche wie die französische Mannschaft 1998. Die Nationalmannschaft ist heute ein echtes Abbild der deut- schen Gegenwartsgesellschaft. Die Spieler bringen ihre unterschiedli- chen kulturellen Wurzeln zu einem herzerfrischenden Offensivfußball zusammen. Dieses monolithische Bild von Deutschland, gerade auch im Ausland, wird dadurch aufge- sprengt. In einigen Punkten ist die Nationalmannschaft in der Umset- zung weiter als etwa die Politik. Herr Masternak, welche Werte ver- mittelt der Fußball? Masternak: Jeder kennt das berühmte Zitat von Albert Camus, der gesagt hat, dass er alles, was er über Moral weiß, durch den Fußball gelernt hat. In die brasilianische Nationalmannschaft schaffen es immer wieder Talente aus den Slums von Rio de Janeiro, aber Kaká stammt aus einer reichen Familie. Der Fußball ist eine Chance für alle. für Fußball interessieren, aber nur Frauen lesen. Sie waren Hausautor am Wiener Burgtheater, zuletzt wurde Ihr litera- risches Gesamtwerk mit dem Litera- turpreis der ‚WELT‘ ausgezeichnet. Seit Gründung der Autonama stehen Sie im deutschen Tor. Immer noch Lust am Kicken, Herr Ostermaier? Ostermaier: Natürlich ist es völlig unvernünftig, als über 40-Jähriger sich immer noch zwischen die Füße zu werfen. Es ist einfach eine wun- derbare Verlängerung der Kindheit. Schriftsteller sind bedingt durch die Aufgabe Einzelgänger, aber durch die Autonama bietet sich uns ein wunderschönes Gemeinschaftser- lebnis. Wenn man zusammen in kur- zen Hosen Fußball gespielt hat, ist die Diskussion, auch über Literatur und Politik, danach eine ganz andere. Fußball schafft Herzlichkeit und Un- mittelbarkeit, das kann der Kulturbe- trieb nicht in der Art leisten. Und das Streitgespräch auf dem Platz – nach einem Fehlpass oder einem Torwartfehler – ist dann auf rhetorisch hohem Niveau? Ostermaier: Ich komme eher aus der Kahn-Schule und bevorzuge die direkte Ansprache. Serhij Zhadan ist ein ukrainischer Schriftsteller, Dichter und Übersetzer. Seit 1991 veröffent- licht der 1974 im Luhansk geborene Zhadan Lyrik und Rock-Texte. Seit 2006 erscheinen seine Werke im Suhrkamp-Verlag. Sein Debütroman „Depeche Mode“ machte ihn auch in Deutschland bekannt. Der in Charkiw lebende Autor gehörte zu den Aktivisten der Orangen Revolution und gilt als eine der international bekanntesten Stimmen unter den jungen Intellektuellen der Ukraine. Er steht im Tor der ukrainischen Autoren-Nationalmannschaft. Albert Ostermaier – der 1967 geborene Ostermaier veröffentlichte seit 1988 zahlreiche Gedichtbände, Hörspiele und Musiktheaterstücke sowie zwei Romane. Mehr als 30 seiner Theaterstücke wurden national und international gespielt. Ostermaier wurde unter ande- rem mit dem Kleist-Preis, dem Berthold-Brecht-Preis und dem Welt-Literaturpreis ausge- zeichnet. Der Torhüter der deutschen Autoren-Nationalmannschaft und leidenschaftliche Bayern-Fan lebt in seiner Geburtsstadt München. Zbigniew Masternak wurde 1978 in Piórkowie/Polen geboren und arbeitet als Autor, Dreh- buchschreiber und Dramaturg. Auf Basis seines autobiografischen Romanzyklus „Fürsten- tum“ (2006–2008) drehte der Regisseur Andrzej Baranski den gleichnamigen Film. Seine Werke wurden u. a. ins Ukrainische, Slowenische, Mazedonische, Vietnamesische und Mon- golische übersetzt. Eine Knieverletzung beendete 1997 seine Karriere als Fußballspieler in der 2. Polnischen Liga. Er ist Stürmer und Kapitän der polnischen Autoren-Nationalmann- schaft sowie polnischer Meister im Matschfußball. Masternak (v. l.)

Pages