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SHS_Jahresbericht_2013

8 der Ungarn 1953 in Wembley wurde orga- nisiert, damals ein echtes Kunststück, und den Spielern vorgeführt. Am Spieltag inspizierte Herberger schon morgens den Rasen und ließ sich sogar von einem klei- nen Autounfall nicht davon abbringen: Er nahmeinenanderenWagenundfuhrschon Stunden vor dem Anpfiff ins Wankdorf- Stadion.Außerdemsetzteerbuchstäblich aufdieWetter-KarteundhoffteaufRegen, auf Fritz-Walter-Wetter. Für den anderen Fall hatte er bereits ernsthaft erwogen, den Rasen sprengen zu lassen. Doch nach seinem Anruf bei der Wetterwarte, die „Dauerregen im Gebiet Südbaden und der Schweiz“verhieß,nahmerdavonAbstand. Ein Spiel dauert 90 Minuten AlsdergroßeTagdesFinaleskam,kamauch der Regen, wenngleich mit Verzögerung. Morgens um neun klopfte Werner Liebrich noch aufrichtig besorgt an Zimmertür 303 im Hotel Belvedere und stellte im Pfälzer Idiomfest:„NaFriedrich,wasmeenschejetzt? Gucke mol, de Planet, wie er sticht.“ Sein Kapitän antwortete: „Kleiner, es ist ja noch früh. Das Wetter wird schon nach Wunsch.“ ErsollteRechtbekommen.AlsErstermerkte es Max Morlock, beim Mittagessen. Die kom- mendenWeltmeistersaßengeradeüberihren Brathähnchen, wie vor allen Spielen, als der Nürnberger ausrief: „Friedrich, es regnet!“ SowurdeesvonFritzWalterinseinemBuch „3:2“ festgehalten, wir müssen es also unbedingtglauben.Erstürztesofortaufdie Veranda und genoss das Schauspiel. „Jetzt istallesklar,nichtskannmehrschiefgehen.“ Danach sah es zunächst nicht aus, trotz Dauerregens lag Deutschland schon nach acht Minuten mit 0:2 zurück, Puskas und CziborhattenleichtesSpielbeiihrenTreffern. AberdieDeutschenmachtensichMut,noch ein Debakel wollten sie ihren Anhängern unterden62.471Zuschauernnichtzumuten. MaxMorlockrief:„Dasmachtnix,dasschaf- fenwirnoch.“UndderkleineBrudermunterte den großen auf. Ottmar: „Fritz, nur weiter.“ UndererinnerteihnanHerbergersWeisheit, dass ein Spiel 90 Minuten dauerte. Es ging weiter – und wie. Morlock rutschte in einen verzogenenRahn-Schussundverkürzteauf 1:2 (10.). Und nach einer Ecke von Fritz Walter stellte Rahn den Gleichstand her (18.) – die Masse war elektrisiert, das WM- Finale wurde spannender als gedacht. InderHalbzeitbrodelteesinderdeutschen Kabine:LiebrichschimpftemitdenStürmern, Posipal mit Rahn, Turek mit Kohlmeyer. Herberger brachte sie zum Schweigen: „Jetzt ist aber Ruhe, wir können hier Welt- meister werden, und ihr kriegt euch in die Haare.Jetztredeich.Kämpft.Einerfüralle, alle für einen. Das war und ist unser Motto. So, und nun raus auf den Platz, ihr wisst, worumesgeht!“,heißtesinderHerberger- Biografie von Jürgen Leinemann. Bei den UngarnhattederSpielverlaufSpurenhinter- lassen. Trainer Gustav Sebes gab knappe Anweisungen und Lorant pfiff vor lauter Verlegenheit eine Film-Melodie – „Der dritte Mann“ – vor sich hin, ehe ihn Boszik barsch zum Schweigen brachte. „Hör auf damit.“ Alseswiederrausging,prophezeiteDFB-Arzt Dr. Logen Fritz Walter: „Machen Sie sich keinenKummer,Fritz,wirgewinnendasSpiel 3:2.“ Er sollte Recht bekommen, weil Toni Turek, wie in der Rundfunk-Reportage von Herbert Zimmermann beschrieben, zum „Fußball-Gott“avancierteundHelmutRahn in der 84. Minute aus dem Hintergrund schoss. Mit dem Abpfiff von Schiedsrichter Ling war das Wunder Wirklichkeit und Deutschland erstmals Weltmeister. Es war viel mehr als nur ein sportlicher Erfolg für die Menschen im Nachkriegs-Deutschland. Neuzeitliche Historiker bezeichnen das „Wunder von Bern“ als „die eigentliche Gründung der Bundesrepublik“. In jedem Fall darf der Triumph von Bern als erstes freudiges Gemeinschaftserlebnis für dieDeutschennachdemKrieggelten–übri- gensauchinderDDR.DasSchlagwortjener Tage hieß: „Wir sind wieder wer.“ Innenmi- nisterGerhardSchrödersagtedenSpielern: „Ihr Sieg in Bern hat uns ein echtes und reines Gemeinschaftsgefühl geschenkt; es hätte in der gegenwärtigen Zeit kaum aus einemschönerenAnlassgeschehenkönnen.“ EntsprechendwarderEmpfang.Überall,wo der Sonder-Zug am Montag, den 5. Juli, durchkam, waren die Bahnsteige voller Menschen. Am 6. Juli strömten rund eine MillionMünchnerzusammen,alsdieSpieler inelfoffenenMercedes-WagenzumLöwen- bräu-Keller gebracht wurden. Bundespräsi- dentTheodorHeußverliehdenWeltmeistern, die vom DFB 1.000 D-Mark Prämie und 200 DM pro Einsatz erhielten, am 18. Juli in Berlin den Silbernen Lorbeer – und noch 1977, Herbergers Todes-Jahr, sagte der bayerische Minister-Präsident Franz-Josef Strauß über den Finalsieg: „Millionen Deut- schen hat er das Gefühl gegeben, im Kreis der Nationen wieder anerkannt zu sein.“ Auch das war ein Wunder. Der Chef? Unsterblich! Faktist:KeineFußball-WMhatteinDeutsch- landgrößerenNachhallinallenBevölkerungs- schichten, auch in kultureller Hinsicht. Noch heute wird bei Regen vom Fritz- Walter-Wetter gesprochen und auf vielen deutschen Sportplätzen wird nach Toren HerbertZimmermannsekstatischerJubel nachdem3:2eingespielt.SeineSchilderung desFinalesistlängstKulturgut.Das„Wun- der von Bern“ wurde 2003 sogar verfilmt und im Jubiläumsjahr 2004 erschienen allein in Deutschland 19 Bücher rund um dieWM1954.SeppHerbergerhatdasnicht mehrerlebt,aberauchererfuhrEhrungen und Würdigungen, allen voran das Große Verdienst-Kreuz der BRD (1967). Kurz nachdem er als Bundestrainer 1964 abtrat, wurde sein Leben verfilmt und zu seinem 80. Geburtstag 1977 brachte die DeutschePostzumdrittenMaleineSonder- briefmarkefüreinePersonderGegenwart heraus.DieanderenhießenKonradAdenauer und Willy Brandt. Ein paar Tage später starb er. Unsterblich ist er dennoch.

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