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EM-ReisefuehrerFrankreich

Nicht abzustreiten ist natürlich, dass die Fußballgeschichte in ihren insgesamt 150 Jahren bei den zahlreichen Aufeinandertreffen zwischen einzelnenNationenunweigerlichdurchaußersportliche,jahrhundertealte Fremd- und Feindbilder sozusagen „toxisch“ verunreinigt wurde. Bilder, aufdiealldieReporterundKommentatorenzwangsläufigzurückgreifen mussten und die auch klar identifizierbare „ästhetische“ Vorlieben pro- duzieren: Fragt man die Fußballfans in beiden Ländern, was genau das Spiel für sie so interessant macht, stellen die Franzosen eindeutig die „technischenFähigkeitenderSpieler“indenVordergrund(56,7%nennen sie an erster oder zweiter Stelle gegen 35,3 % der Deutschen), während man in Deutschland „die taktische Kompetenz der Mannschaften“ als wichtiger betrachtet (46,9 % gegen 31,7 % in Frankreich). Da liest man dann auch ein Spiel anders, je nachdem, wo man aufgewachsen ist. Und so füttert der ganze klischeebeladene Fußballdiskurs das kol- lektiveFußball-Gedächtnis,dasletztlichgenausowiedasGedächtnisder Weltgeschichte funktioniert: zuerst wird gefiltert, was überhaupt als „gedenkwürdig“angesehenwird,unddannwirdmiteinersehrselektiven Wahrnehmungdefiniert,wiediesegemeinsameErinnerungzuinterpre- tieren ist. Das Ganze sedimentiert sich auf Dauer und wird zur unver- rückbaren historischen Wahrheit. Das Schöne am Fußball ist, dass Großereignisse genau diese fest- zementierten Klischees und Stereotypen aufbrechen können. Für dieje- nigen, die selber hinfahren, gibt es die Möglichkeit, ins Gespräch zu kommen, sich über die unterschiedlichen Auffassungen gemeinsam zu amüsieren und beim Gruppenselfie aktiv mit den Klischees und Stereo- typen zu spielen. Für diejenigen, die zu Hause auf dem Sofa bleiben, überbieten sich die Medien heute darin, eine Welt- oder Europameister- schaft mit Geschichten über das Gastgeberland zu umrahmen. Und sie tun das mit weit größerer Aufgeschlossenheit als in der Vergangenheit. Man wird sehen, ob sich der deutliche Rückgang an abgenutzten, bescheuerten Wortspielen, den man in Frankreich seit der WM 2006 beobachten konnte, auch diesen Sommer in den deutschen Medien konstatierenlässt.InsgesamtgehtdieTendenzeindeutigzumehrwech- selseitigem Respekt. Natürlich darf man trotzdem den Kopf schütteln über die eigentlich ganz netten, aber unberechenbaren und undisziplinierten Franzosen, genau wie man dort den Kopf schüttelt über die eigentlich ganz netten, abersoberechenbarenunddiszipliniertenDeutschen.Hauptsache,man interessiert sich füreinander. 14 FRANKREICH | EURO 2016

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